Die Hausschlachtung mit Schlachtfest in Wingsbach

Wer es sich einigermaßen leisten konnte, schlachte jedes Jahr eine „Wutz“(Schwein) ,ob groß oder klein, je nach dem Jahresbedarf der Familie. Gemästet wurden jedoch zwei Schweine. Das eine wurde verkauft, um zu Bargeld zukommen und das andere für den Eigenbedarf geschlachtet.

Hausschlachtung: das war über Jahrhunderte hinweg ein winterlicher Höhepunkt in fast jedem Haushalt auf dem Lande. In den letzten Jahren ist diese Art der selbstversorgten “Nahrungsaufbereitung” so gut wie ausgestorben.
Natürlich gibt es so etwas noch in Wingsbach aus nächster Nähe zu betrachten. Andreas Petri ist gelernter Metzger und führt heute noch Hausschlachtungen durch. Auf dem Bauernhof Hieß wird auch heute noch geschlachtet.

Warum schlachtete man im Winter und meist im Freien?
Aus hygienischer Sicht von Vorteil, es ist kalt, das Fleisch verdirbt nicht so schnell und die Bauern haben mehr Zeit, als im Sommer zur Erntezeit.

In Kriegszeiten  gab es strenge Regelungen: Was, wann und wie viele Tiere verarbeitet werden durften. Wenn sich  jemand  der Obrigkeit widersetzte, gab es harte Strafen, bis zur Verschleppung und Gefangenschaft. Die Menschen taten es dennoch und schlachteten heimlich,  einfach um zu überleben. Dafür wurde alles in Kauf genommen.

Bevor es überhaupt los gehen konnte wurde der Fleischbeschauer bestellt. In manchen Gegenden wurde früher eine Lebendbeschau durchgeführt. Hier in Wingsbach wurden nur das Fleisch und die Organe des geschlachteten Tieres begutachtet (Fleischbeschau).
Gleichzeitig mit dem Schlachttermin beim Metzger, werden die Schlachtgeräte  (Brühtrog und Brühkette) bei Otto Kaiser bestellt, die gegen eine geringe Gebühr ausgeliehen wurden. Herr Kaiser wachte über die Vergabe und verwahrte das Gemeindeeigentum.

Die ganze Familie ist eingeteilt, und auch Freunde helfen am diesem besondern Tag.

Der Schlachttag beginnt mit der Tötung des Schweins.

Den Bolzenschussapparat setzt der Metzger auf einen bestimmten Punkt der Stirn, um direkt das Gehirn zu treffen. Jetzt ist Eile geboten. Während das betäubte Tier noch zappelt wird mit dem Messer in die Halsschlagader gestochen, damit das Schwein ausbluten kann. Das Blut wird in einer Schüssel aufgefangen und sofort „gekläppert“ (geschlagen) damit es nicht gerinnt, da es  zur Herstellung der Blutwurst gebraucht wird.

Die Sau ist tot

Jetzt ist der erste Schnaps fällig.

Das Schwein kommt nun in die „Muhl“(Brühtrog) und wird mit viel heißem Wasser  übergossen
(gebrüht). Daraufhin werden die Borsten mit der „Schabglocke“ abgeschabt. Ein trichterförmiges Stahlblech, an dessen zusammenlaufendem Ende sich ein Haken befindet um dem Schlachttier die Klauen zu ziehen. Auch eine Brühkette wird zur Haarentfernung im Brühtrog verwendet. Was jetzt noch nicht beseitigt wurde wird „abgeflammt“ oder mit dem Messer abgeschabt.

Borstenentfernung mit Brühkette

Die Sehnen der Hinterbeine werden aufgeschnitten und das so rasierte Schwein wird kopfüber an der Leiter aufgehängt. Der Metzger schneidet den Bauch auf und entnimmt die Innereien,

Bauch aufschneiden

die sorgfältig gereinigt werden. Därme, Blase, Magen, werden zum Wurstmachen gebraucht.

Innereien entfernen

Der Fleischbeschauer prüft nun die inneren Organe auf sichtbare Krankheiten.

Hertling Fleischbeschauer

Mit einem Mikroskop untersucht er das Fleisch auf Trichinen.
Ist alles in Ordnung, wird das Schwein abgestempelt und somit freigegeben.

Ist das Schweinchen Hakenrein, muss erst mal getrunken sein.

Hier könnte es schon den zweiten Schnaps geben.

Das Rückgrat des Schweins wird mit dem Spalter in zwei Hälften geteilt. Sie werden nochmals mit Wasser gründlich gereinigt, bevor das Fleisch in der Waschküche oder Küche weiterverarbeitet wird. Der nun folgende Arbeitsgang nennt sich „Zerlegung der Sau“ und hier endet, wenn zwei Tage geschlachtet wird der erste Tag.

Spass machte es damals den Kindern, das Sauschwänzchen dem Bauer oder anderen Helfen anzuhängen, da zum Schlachten alle Kittel trugen, eine recht einfache Sache. Oder die Bäuerin bekam es ins Bett gelegt.

Vor der Weiterverarbeitung muss entscheiden sein, ob es mehr Fleisch oder mehr Wurst geben soll.
Die Schinken und die Koteletten werden herausgeschnitten, und das Fleisch für die Büchsen wird aussortiert.
Einige Fleischstücke werden roh durch den Fleischwolf gedreht und gewürzt. Ein Teil wird als Mett sofort verzehrt, aus dem Rest stellt man Mettwurst her, die erst luftgetrocknet und dann geräuchert wird.
Aber das ist nicht in allen Gegenden so, die sogenannte „Ahle Worscht“ (Mettwurst) wird durch das Trocknen sehr hart, man findet  sie speziell in Nordhessen. In Südhessen bevorzugt man eher die  streichfähige Mettwurst.
Das verbleibende Fleisch wird im Kessel gekocht. Der Schweinekopf kommt auch hinein und  als „Wellfleisch“ mit Sauerkraut und Kartoffeln auf den Mittagstisch, nach dem es wieder einen Schnaps gibt, das fette Mahl muss ja verdaut werden!

Nach dem Essen geht es ans verwursteln des gekochten Fleisches. Leberwurst, Blutwurst, Presskopf und Bratwurst wird hergestellt. Einiges an Fleisch wird  durch den Wolf gedreht, andere Fleischstücke werden klein geschnitten, wie z.B. der Speck für die Blutwurst (Grieben), dann wird abgeschmeckt.
Der Metzger verlässt sich meist auf seine Geschmackserfahrung, es kann aber auch nach Gewicht abgeschmeckt werden. Das „Füllsel“ wird mit Hilfe der Füllmaschine

Wurstfüllmaschine

(als es diese noch nicht gab, mit einem Hörnchen, ähnlich einem Trichter) in die vorbereiteten Därme gedrückt. Auch in Dosen oder Gläser wird die gewürzte Wurstmasse gefüllt.
Der Kessel ist schon wieder auf Temperatur gebracht, damit die Würste bei ca. 80° Grad  gebrüht werden können.

Karl Gros am Wurstkessel

 Da meist einige  Würste platzen geben sie der Metzelsuppe ihren typischen Geschmack.
Mit ihr beginnt auch, das Festessen am Abend. Außerdem gibt es noch Kesselfleisch und die frische Wurst wird probiert.
Jetzt zeigt sich, ob der Geschmack des Metzgers auch der des Bauern ist und er kann viel Lob einstecken.

Ende des Schlachttages

Die Hausfrau hat auch am nächsten Tag noch eine Menge Arbeit. Die Nachbarschaft wird mit
Metzelsuppe versorgt, die Kinder erhalten kleine Leber oder Blutwürstchen.
Die bereitgelegten, ausgekühlten Schinken und Fleischstücke kommen in die Bütte mit der Salzlake. Ein Teil der Wurst kommt sofort in die Räucherkammer der Schinken erst nach vier Wochen, wenn er zum Räuchern reif ist.

So verlief in früherer Zeit eine Hausschlachtung, ich kann nur abschließend an den Fasnachtsvers erinnern: “Geb` mer  e Stick vom Schinke, loß di Rippe hinke!

 

Von: Karin Hieß und Andreas Petri, zuletzt bearbeitet am 23.08.2005